Havarien der Kernkraftwerke in Japan nach dem Erdbeben am 11.03.2011

Ich versuche mal hier die Infos darzustellen, die mich bisher erreicht haben. Die Infos aus den normalen Nachrichten Kanäle sind wenig konkret. Oftmals lässt sich mehr durch die Diskussion der veröffentlichten Bilder und Videos schließen. Für diese Diskussionen setzte ich immer noch aus Usenet.

Bisheriger Verlauf des Unfalls

Über Korrekturen und Anmerkungen freue ich mich in einer Mail an mich.

Notabschaltung

Nach dem Erdbeben, dessen Stärke deutlich höher als die Auslegung des KKW war, ging das Kraftwerk in die Notabschaltung. Dabei stellt es die Energieversorgung ein, die Steuerstäbe werden in den Reaktorkern gefahren und die Kernspaltung damit weitgehend zum erliegen gebracht. Nur findet danach noch ein Restzerfall statt. D.h. die radioaktiven Substanzen aus den gespaltenen Uran- und Plutoniumkernen zerfallen weiter und geben dabei Wärme ab. Die Wärme muss abgeführt werden, sonst schmelzen die Brennelemente und es kommt zur Kernschmelze. Um dies zu verhindern, wird das Wasser im Kühlkreislauf weiter umgewälzt und gekühlt. Dazu sprangen wie gewünscht die Notstromdiesel an.

Tsunami zerstört die Notstromdiesel

Der Tsunami hat dann eine Flutwelle in die Anlage gedrückt, mit dem die Erbauer nicht gerechnet haben. Die Notstromdiesel dürften Wasser in den Ansaugstutzen bekommen haben. Dieser so genannte Wasserschlag zerstört die Kolben bzw. verbiegt die Kurbelwelle. Als Besonderheit hatte die Anlage in Japan zudem dampfbetriebene Pumpen, so dass es auch nach Ausfall der Diesel gelang, die Leitwarte mit Batterien zu betreiben und die hohe Leistung für die Pumpen aus dem weiter erzeugten Dampf zu gewinnen. Das funktioniert zumindest in den meisten Reaktorblöcken in Fukuschima erfolgreich. Nur gehen die Batterien nach einigen Stunden zur Neige und es müssen dringend Notstromdiesel zur Stützung der Leitwarte und der Steuereinrichtung heran gebracht werden. Vermutlich erfolgt deshalb die Evakuierung der Bevölkerung ohne auf die tatsächliche Gefahr hinzuweisen. Eine fluchtartige Panik würde es unmöglich machen, dringend benötigtes Material heran zu schaffen, zumal das Straßennetz und die umliegenden Häfen durch Erdbeben und Tsunami stark beschädigt sind.

Knallgasexplosion in Fukuschima 1

Die Kühlung im Block Fukuschima 1 scheint nicht so erfolgreich verlaufen zu sein.

Vermutlich handelte es sich um eine Knallgasexplosion. Knallgas, also Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2), hat gezündet. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Knallgas an den überhitzten Brennstäben des nicht mehr ausreichend gekühlten Reaktors Fukuschima 1 entstanden. Damit der Reaktordruckbehälter (RDB) nicht am entstehenden Knallgas zerplatzt musste dieses abgelassen werden. Dabei hat es sich entzündet und es ist zur aus dem Schulunterricht bekannten Knallgasexplosion gekommen. Nur das es sehr sehr viel Mehr Knallgas war. Mir scheint es, als würde eine ganze Knallgas-Wolke über dem Kraftwerk durchzünden.

Die nachfolgenden Bilder sind aus einem Video, der offenbar aus dem japanischen Fernsehen abgefilmt wurde:

Fukushima Bild 1

Sekundenbruchteile vor der Explosion. Nicht sichtbar steht offenbar eine Knallgas-Wolke (H2 und O2) über dem Gebäude.

+0 ms

Fukushima Bild 2

Das Knallgas zündet aus dem Gebäude heraus durch. Hier lässt sich auch eine Flamme erkennen. Auch bei der kleinen Knallgasexplosion im Labor-Experiment ist die Flamme fast nicht und nur einen sehr kurzen Moment sichtbar.

ca. +100ms

Fukushima Bild 3

Die Druckwelle breitet sich aus.

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Fukushima Bild 4

Die Druckwelle ist nach oben gesaust. Danach kondensiert das Verbrennungsprodukt Wasserdampf zu einer Wolke (kleine schwebende Tröpfchen). Unten ist die graue Wolke mit den Trümmern aus dem Gebäude.

ca. +200ms

Ich hatte leider nur das Werkzeug Screenshot zur Verfügung und vermutlich etwa jedes 2. oder 3. Bild erwischt. Die Bilder haben also einen Abstand von ca. 100ms. Wenn jemand ein geeignetes Programm dafür hat, würde ich gern alle Bilder von der Explosion und die exakte Bildwiederholrate bekommen. Mir scheint die Druckwelle etwas schneller als die Schallgeschwindigkeit, was aber m.W. nicht möglich ist.

Den Bildern nach zu urteilen muss sehr viel Knallgas enstanden sein. Der RDB selbst bleibt vermutlich unbeschädigt, sonst würde die Radioaktivität stark ansteigen. Unklar ist, ob der Kühlkreislauf noch dicht hält. Sicherlich sind die Einrichtungen zum Steuern von Ventilen und Auslesen der Sensoren zerstört oder diese zumindest nicht mehr mit der Leitwarte verbunden. D.h. die Betriebsmannschaft hat sehr wenig Information über das Geschehen um den Reaktor.

Drohende Kernschmelze auch in Fukuschima 3

Da in Fukuschima 1 die Kühlung nicht mehr ausreichend ist und das gleiche Problem scheint zudem bei Fukuschima 3 zu bestehen, nur dass dort noch kein Knallgas explodiert ist. Bei beiden Reaktoren droht der Kern zu schmelzen bzw. bei Fukuschima 1 kann dies bereits der Fall sein, nur lassen sich die Prozesse im Inneren nicht mehr beobachten.

Der Reaktor wird dabei zu einem sehr heißen Klumpen, der sich fast gar nicht mehr Kühlen lässt und droht, nach unten durch den RDB und schlimmstenfalls durch das Fundament hindurch zu schmelzen. Um dies zu verhindern, wird versucht, Meerwasser in den RDB zu füllen. Diesem wird zudem mit Borsäure zugefügt. Bor absorbiert die für die Kernspaltung von Uran und Plutonium ursächlichen Neutronen einzufangen und damit die verbleibende Kernspaltung mit der problematischen Wärmeentwicklung zu reduzieren.

Was passiert derzeit?

Derzeit scheint das Ziel der Betriebsmannschaft darin zu bestehen, eine Kernschmelze zu verhindern oder einzugrenzen. Dazu wird nun Meerwasser zu Kühlung in den Kühlkreislauf gepumpt. Das entweichen von Radioaktivität durch abgelassenen Überdruck wird in Kauf genommen. Kommt es zur Kernschmelze und schmilzt sich der Kern durch das Fundament kann es beim Kontakt des mehrere Tausend Grad heißen Kerns mit dem Grundwasser zu einer heftigen Explosion kommen. Dann entweicht die gesamte Radioaktivität des Reaktors in die Umwelt.


Fassung vom 13.03.2011

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